zur startseite

1. Als ich geboren wurde
3. Vom Schreiberlink

 

2. Mein Vater

Wenn ich mich an meinen Vater erinnere, erinnere mich daran, dass er immer einen Bleistift hinter dem Ohr hatte, wenn er im Keller in seiner Werkstatt arbeitete. Zu Weihnachten hat er uns Kindern Holzbausteine gesägt, sie blau und rot angemalt und eine Puppenstube gezimmert. Er hat am Heiligen Abend den Weihnachtsbaum aus dem Wald geholt. Mein Vater hat unsere Betten gebaut, Stullenbrettchen und die Kinderschreibtische – einen davon bewahre ich immer noch auf.

Er hat unser Haus gebaut, dazu die Zäune ringsum aus Holz und Schilf. Das Schilf dafür erntete er im Winter auf dem See. Zuerst testete er, ob das Eis hält, dann schob er uns eine Eisfläche frei vom Schnee und während wir mit unseren Eisbob gerutscht sind, schnitt er das Schilf für die Zäune. Ich erinnere mich, dass er mit mir und meinem Bruder am Achterwasser geangelt hat. Zuvor hat er mit uns die Regenwürmer aus dem Wald geholt. Wir Kinder bekamen je eine Bambusrute mit Angelleine, Pose, Blei und Haken. Vati spickte die ekligen Regenwürmer für uns auf den Haken und wenn wir einen Fisch an Land gezogen hatten, machte er ihn ab. Wir haben auf dem kleinen Steg, der über Schlick und Schilf in den See führt, geangelt. Einmal sind dem Steg die morschen Stelzen eingebrochen, wir kamen mit nassen Füßen und Schuhen davon und bekamen auf dem Heimweg Vatis Socken und Schuhe an ...

Unser Vater versorgte den Garten. Die großen Erdbeerbeete, eine Rarität, hat er gepflegt, vom Unkraut befreit und täglich gegossen und zumeist auch die Früchte geerntet. Zum Abendbrot gab's im Sommer oft Butterbrot und dazu eingezuckerte Erdbeeren. »Immer Erdbeeren« war einmal der maulige Kommentar meines Bruders, es war ihm zu viel des Guten! Dann musste eines der Erdbeerbeete weichen. Vati hatte er die Idee, Spargel anzubauen. Spargel kannten wir nicht, ich trauerte um das große Erdbeerbeet. Und dann das Unbegreifliche für uns Kinder: Erst nach drei Jahren sollte man dieses Zeug ernten dürfen. Drei Jahre – für ein Kind eine unfassbare Zeit. Aber so war es und mein Vater pflegte die Beete auch in den Jahren, in denen er nichts ernten durfte und er erntete die langen dicken weißen Spargel mit einem Küchenmesser und er ließ es sein am 20. Juni. Denn nach dem 20. Juni braucht der Spargel seine Ruhephase und muß auswachsen, sonst hat er im nächsten Jahr nicht genug Kraft.

Dazu pflanzte er jedes Jahr Sonnenblumen und Kapuzinerkresse, er schaffte Hühner an und sorgte für das Futter. Er hielt Kaninchen und schlachtete sie, so dass es zu Weihnachten statt Gans eben oft Kaninchenbraten gab. Und die Meerschweinchen? Er brachte uns zwei Meerschweinchen mit, die fortan meinem Bruder und mir gehörten. Wir waren für das Futter verantwortlich. Manchmal »vergaßen« wir es, sie zu füttern, dann gab es Ärger. Bestenfalls mussten wir uns am Abend noch aufmachen und Grünes von den Wiesen und aus dem Wald holen. Schlimmstenfalls lies Vati die »Quietscher«, wie er sie nannte, in einem Wutanfall über den Hof fliegen, mit der Androhung, jetzt werden sie »abgeschafft«. Wir hatten panische Angst, dass sie in den Wald laufen. Sie liefen bis an den Zaun aus Schilf, da kamen sie erst mal nicht durch und dort standen die Sonnenblumen – Sonnenblumenblätter sind die Lieblingsspeise von Meerschweinchen – wenn sie denn rankommen. So tippelten die Quietscher am Zaun und den Sonnenblumen entlang, bis wir genug geheult hatten und von unserer Mutter die heimliche Erlaubnis bekamen, die Quietscher wieder einzusammeln während unser Vater so tat, als bemerkte er die Rettungs- und Rückführaktion nicht ...

Was ich von meinem Vater geerbt habe? Den Bleistift. Er brauchte ihn beim Tischlern und trug ihn immer auf dem Ohr. Das fand ich schick. Ich versuche noch heute manchmal meinen Bleistift, mit dem ich meine Texte schreibe, hinter mein Ohr zu klemmen.

über mich
schmökern
publiziert
referenzen
& partner
biografische texte
journalistische texte
vom reisen schreiben
geschichten & märchen
schreib-
reisen
kurse und
seminare

kontakt und
impressum


zu meinem schreiberlink-blog